Bei Berichten über interdisziplinäre Herangehensweise wird geschildet, wie – im medizinischen Bereich – Ärzte verschiedener Fachrichtungen zusammenarbeiten. Im Vorfeld der diesjährigen Tagung der wissenschaftlichen Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO) erklärte der Rostocker Universitätsmediziner Prof. Dr. Peter Knopp in einer kieferorthopädischen Fachzeitschrift an Beispielen, was das konkret bedeuten kann. Das beginne damit, sagt er, dass man mit unterschiedlichem Blick, mit unterschiedlichen Methoden und mit unterschiedlichem Zugang zum Problem den betreffenden Patienten betrachte. Am Beispiel „Schlafapnoe (Atemaussetzer) bei Kindern“ beschrieb er, wie Fachzahnärzte für Kieferorthopädie, Fachärzte für Anatomie, solche für Kinder- und Jugendmedizin zusammen mit Psychologen und Zahntechnikern eine spezielle Gaumenplatte für das Kind gestalteten, die die angeborene Fehlbildung korrigieren half. Der unterschiedliche Blickpunkt auf die Situation des Patienten ermögliche verschiedene objektive Beurteilungen, was aus Sicht des jeweiligen Fachgebietes medizinisch relevant ist – aber auch unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der individuellen Bedürfnisse des Patienten. Der Aufwand ist erheblich – in manchen Situationen aber auch zielführender und nachhaltiger im Ergebnis. Interdisziplinäres Vorgehen gehört bei den sogenannten Schwerpunktpraxen in der Regel zum Behandlungskonzept.
Light-Produkte: besser für die Zähne?
Die deutsche Bevölkerung ist durchaus sensibilisiert für die unerfreulichen „Nebenwirkungen“ von Zucker, und viele Menschen greifen daher zu Produkten, die als zuckerfrei gelten. Das ist gut gemeint, aber nicht in jedem Fall gut gemacht, denn nicht jede Zucker-Alternative ist auch eine. Wie Studien und auch Empfehlungen von Gesundheitseinrichtungen zeigen, sind Zuckeralternativen wie Fructose oder weitere auf „ose“ endende Zusatzstoffe auch nichts anderes als Zucker, nur halt nicht der weiße Raffinade-Zucker, wie man ihn aus dem Haushalt kennt. Etwas anderes sind Süßstoffe, die als Zuckerersatzstoffe weder Auslöser von Karies noch von schädlichen Zahnbelägen sind: Die Mundbakterien können den chemischen Zuckerersatz nicht verstoffwechseln. Zudem sind Süßstoff-Produkte, was ihren „Zuckergehalt“ betrifft, kalorienarm. Wie eine aktuelle Studie des Süßstoffverbandes zeigt, nutzen drei Viertel der 1000 Befragten in Deutschland, Österreich und der Schweiz mittlerweile mindestens einmal wöchentlich Süßstoff-Produkte, die Hälfte aller Studienteilnehmer nutzt sie täglich. Light- und Zero-Produkte würden nicht als zweit Wahl erachtet, sondern gezielt gekauft. Ganz unkritisch sind diese Produkte aber nicht: Es gibt Überlegungen, im Rahmen eines Kinder-Lebensmittel-Werbegesetzes Süßstoffe zu verbieten. Mehrere Studien befassen sich mit ungesunden Auswirkungen auf den Fettstoffwechsel und den Darm. Vor allzu intensiver Nutzung wird von kritischer Seite daher gewarnt.
Kinder-Zahnpflege: elektrisch gewinnt
Während sich elektrische Zahnbürsten bereits bei vielen Erwachsenen durchgesetzt haben – auch weil sie mit besseren Erfolgen bei der Mundhygiene punkten – standen bei Kindern bisher vor allem Handzahnbürsten im Blick. Das Sortiment von Kinderprodukten für die Zahnpflege ist dabei vielfältig, oft kindlich-bunt und meist auf den Bedarf der jeweiligen Altersgruppe ausgerichtet. Nun kommen noch spezielle elektrische Zahnbürsten dazu, die – das berichtete gerade eine israelische Wissenschaftlergruppe – sogar die Ergebnisse guter Arbeit mit einer Handzahnbürste noch toppen. Sie hatten für ihre Studie zwei Gruppen von Kindern begleitet und hinsichtlich der Mundpflege regelmäßig kontrolliert, um einen Vergleich der Reinigungseffizienz bei den beiden Zahnpflege-Techniken ziehen zu können. Die ältere Kindergruppe (7 – 10 Jahre) putzte selbst, bei der Jüngeren (3 – 6 Jahre) putzten die Eltern. Die Bilanz zum Studienabschluss war deutlich: In der älteren Kindergruppe hatten fast alle, die eine elektrische Zahnbürste nutzten, sehr viel weniger Zahnbelag als die Handzahnbürsten-Kinder, und im jüngeren Jahrgang hatte die „Gruppe elektrische Bürste“ ebenfalls mehrheitlich weniger Plaque als die Kinder mit Handzahnbürste. Die Bilanz der Wissenschaftler: Richtig angewendet bringt eine spezielle elektrische Kinderzahnbürste einen Gewinn an mehr Hygiene und weniger Belastungen für Zähne und Zahnfleisch-Entzündungen als eine Handzahnbürste
Und sie hilft doch: Zahnseide
Mundhygieneprodukte für die Reinigung von Zahnzwischenräumen wie Zahnseide und Interdentalraumbürstchen haben es nach wie vor schwer, sich bei der Allgemeinheit der deutschen Bevölkerung durchzusetzen. Dabei bestätigt eine Vielzahl an Studien ihren positiven Effekt. Jüngst hat die Universität Greifswald eine weitere veröffentlicht, die – erwartungsgemäß – zum gleichen Ergebnis kommt: Zahnzwischenraumpflege wirkt! Zahnseide und Interdentalraumbürstchen reduzieren nicht nur Zahnbeläge und damit Schutz vor Zahnzwischenraumkaries und Zahnfleischentzündungen, sondern auch das Risiko, Zahnfleischtaschen zu entwickeln. In solchen „Taschen“ rund um den Zahnhals sammeln sich bakterielle Beläge, die von der häuslichen Mundhygiene nicht mehr erreicht werden und so das Haltegewebe um den Zahn infizieren und zerstören können. Da es viele Einflüsse auf die Mundgesundheit gibt – von Ernährungsgewohnheiten über Alter bis Gesundheitszustand – sei ein direkter Zusammenhang mit der Art der Mundhygiene üblicherweise schwer nachweisbar, so die Greifswalder Wissenschaftler. Sie können allerdings auf eine der weltgrößten Langzeitstudien zurückgreifen, die Study of Health in Pomerania (Ship) Studie, und entsprechend die enormen Falldaten analysieren. Die Ergebnisse sind insofern ein wichtiger wissenschaftlicher Beleg für die Effizienz von Zahnzwischenraumpflege.
Zuckersteuer hilft: Beispiel Großbritannien
Während in Deutschland noch oft und oft auch strittig über die Einführung einer Zuckersteuer diskutiert wird, hat Großbritannien im Jahr 2018 eine „Softdrinksteuer“ eingeführt und nun ausgewertet, ob sich ein Effekt auf die Zahngesundheit zeigt. Eine gerade veröffentlichte britische Studie aus dem Bereich Ernährung, Vorsorge und Gesundheit hat dazu die Anzahl an Zahnentfernungen bei Kindern ausgewertet, deren Anlass kariesbedingt war. Fast 90 % aller Zahnentfernungen bei Kindern gehen in Großbritannien auf Zahnfäule zurück. Da die Studie schon vor Beginn der Steuererhebung startete, konnte ein Effekt der gesetzlichen Verordnung gesehen werden. Es zeigte sich, dass mit Einführung der Softdrink-Steuer die Anzahl der Extraktionen bei Kindern spürbar zurückgegangen ist. Nicht erhoben wurden Zahnfüllungs-Behandlungen, die in der Regel die Mehrheit der zahnärztlichen Kariesbehandlungen ausmachen. Es gebe noch weiteren Forschungsbedarf, der über eine reine Beobachtungsstudie wie die genannte hinausgehe, sagten die Forscher, die aber festhalten, dass eine Softdrink- oder Zuckersteuer einen positiven Einfluss zumindest auf die Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen hat.
Trockener Mund: schlechte Prognose für die Zähne
Es gibt einen Grund, warum die Natur für einen ausgewogenen Speichelfluß im Mund gesorgt hat: Der hauptsächlich aus Wasser bestehende Speichel hat nicht nur die Aufgabe, beim Essen die Nahrung aufzuweichen und dadurch leichter schluckbar zu machen, sondern auch, in Zeiten ohne Nahrungsaufnahme den Mund feucht zu halten und mit seinen förderlichen Inhaltsstoffen Zahnschmelz und Mundschleimhaut gesund zu erhalten. Zudem spült er frische Speisereste und Säuren weg, wenn auch nicht in einem Maße, dass Zähneputzen ausgelassen werden könnte. Wenn umständebedingt kein ausreichender Speichelfluss vorliegt, hat dies also vielfältige Auswirkungen auf die Gesundheit. Aber auch umgekehrt gibt es eine Verbindung: Manche Erkrankung führt direkt, oder über den Weg der notwendigen Medikamente, zu einer Verminderung des Speichelflusses. Das ist recht unangenehm bis schmerzhaft, neben den schon zuvor dargestellten gesundheitlichen Konsequenzen. Wie eine große zahnärztliche Zeitung berichtete, gibt es eine ganze Reihe an Erkrankungen, nicht zuletzt an sogenannten Autoimmunerkrankungen, die das gesunde Speichel-System im Mund blockieren. Aber auch psychologische Belastungen können zu Mundtrockenheit führen. Da die Auswirkungen sehr belastend und gesundheitsstörend sind, empfiehlt die Wissenschaftlerin und Verfasserin des Artikels die interdisziplinäre Zusammenarbeit jeweils zuständiger Fachärzte und Zahnärzte, da ohne Behandlung oder, wenn möglich, Behebung der Grunderkrankung auch der wichtige Speichelfluss im Mund nicht nachhaltig wieder gelingt.
Apfelsaft: besser als Cola?
Im Rahmen einer Fach-Fortbildung zu Prävention in der Zahnarztpraxis ging es kürzlich auch um die Frage, wie Schäden am Zahnschmelz verhindert werden können und: Was schadet dem Zahnschmelz am meisten? Erfreulich viele Menschen wissen heutzutage, dass Zucker zu Karies führen kann und dass zuckerhaltige Getränke insofern zahnschädigend sind. Dass auch zuckerarme Getränke wie Apfelsaft und Sekt die Zahnschmelzoberfläche angreifen, zeigte bei der Fortbildungs-Veranstaltung Prof. Dr. Stefan Zimmer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Präventionszahnmedizin. In diesem Fall sei es die Erosion, das Herauswaschen von Schmelzkristallen, die zu beginnender Schmelzschädigung führe. Während die Säuren nach zuckerhaltigen Nahrungsmitteln und Getränken erst durch den Stoffwechsel der Mikroorganismen erzeugt werden, wirkt die Säure aus Lebensmitteln direkt auf die Schmelzkristalle. Anders als bei zucker-bezogener Karies sei der Zahnschmelz bei säure-bezogener Karies am Zahnfleischrand intakt – was auf die Flüssigkeit zwischen Zahn und Zahnfleisch zurückzuführen sei, die die Säure abpuffere. Beim Vergleich verschiedener zucker- und säurehaltiger Getränke erwiesen sich Apfelsaft und Sekt sogar als zahnschädlicher als zuckerhaltige Cola.
Karies: nur für die Zähne relevant?
Dass entzündete Bereiche im Mund, zumal im Zahnbett (Parodontitis), mit ungesunden Veränderungen im Körper in Verbindung stehen, ist vielen Patienten inzwischen bekannt. Schon bei kleinen offenen Wunden in der Mundschleimhaut oder im Zahnfleisch geraten Mundkeime über die Blutbahn in Organe des Körpers und können hier zu Störungen und Erkrankungen führen. Offenbar ist aber nicht nur die Parodontitis für solche Infektions-Effekte mitverantwortlich, sondern – das zeigt eine aktuelle Studie aus Finnland – auch Karies kann zu solcherart unerwünschten allgemeingesundheitlichen Problemen, vor allem im Bereich von Stoffwechselvorgängen im Herz-Kreislauf-System führen. Der Fokus der Studie lag, berichtet eine große zahnärztliche Fachzeitschrift, auf Zusammenhängen von Stoffwechselveränderungen und Mundgesundheit. Die schon erwarteten Verbindungen zeigten sich denn auch und sind nun daten-unterfüttert: Auch Karies spielt eine Rolle. Hier waren es vor allem Wurzelkanalfüllungen, nicht ausreichend aufbereitete Wurzelkanäle und auch klassische Karies-Schmelzschäden, die zu spürbaren Stoffwechselveränderungen führten. Unter dem Strich erwiesen sich diese kariesbezogenen Auswirkungen zwar als deutlich weniger relevant für riskante Erkrankungen als das Vorhandensein einer Parodontitis – es wurde aber deutlich, dass alle Bereiche im Mund, die infiziert sind, Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit haben und nicht, wie manchmal geglaubt, allein eine Zahnbettentzündung. Das untermauert erneut die Notwendigkeit wirklich sorgsamer Mundpflege.
Magenverkleinerung: Mundgesundheit verschlechtert
Einerseits ist erhebliches Übergewicht ein deutlicher Risikofaktor für die Gesundheit, auch für die Mundgesundheit: Beispielsweise ist die Entzündungsabwehr reduziert, weil das Hormonsystem eine Übermenge heilungsstörender Stoffe abgibt. Das bedeutet, dass entzündliche Munderkrankungen wie Parodontitis oder Mundschleimhautentzündungen länger dauern und schlechter abheilen. Andererseits sind auch Maßnahmen zur Reduzierung des erheblichen Übergewichts nicht ohne Folgen auf die Mundgesundheit: Wie eine aktuelle Studie aus Brasilien zeigt, wirken sich Diäten im Vorfeld einer Magenverkleinerung negativ auf Mund und Zähne aus. Und auch nach dem Eingriff wurde die Situation nicht besser. Die Studienteilnehmer, rund 100 Adipositas-Patienten, wurden für die Studie in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe erhielt nur Ernährungsberatung, die andere eine Magenverkleinerung (bariatrische Operation). Im Ergebnis zeigte sich, dass die zweite Gruppe eine deutliche Mundgesundheitsverschlechterung erlebte. Beispielsweise hatte sich die Zusammensetzung des Biofilms im Mund verändert und das biologischen Gleichgewicht der Keime gestört. Da sich die Ernährung auch in dieser Gruppe eigentlich verbessert hatte, scheinen die häufigen kleineren Mahlzeiten, die nicht von ebenso häufigerem Zähneputzen begleitet wurden, eine Ursache für mehr Karies und Zahnfleischprobleme zu sein. Zudem wurde in den ersten Monaten nach der Operation Nahrung vielfach flüssig oder püriert gegeben, so verblieben weniger Ballaststoffe im Mund, und es wurde weniger gekaut. Die Nahrung blieb länger an den Zähnen kleben und bildete einen ungesunden Biofilm. Hilfreich sind die Erkenntnisse nicht zuletzt deshalb, weil die entdeckten Folgen der veränderten Ernährung durch intensiviertes Zähneputzen weitgehend vermeidbar seien.
Parodontitis und Mundhygiene: ein großes Thema
Die Mundinfektionserkrankung Parodontitis (Zahnbettentzündung) ist ein über den Mund hinaus erheblicher Risikofaktor für die Allgemeingesundheit – und eine Erkrankung, der man insbesondere mit kontinuierlicher Beseitigung bakteriell belasteter Zahnbeläge und Biofilme im Mund begegnet. Dies erfolgt weit überwiegend zuhause. Daher ist die Frage, wie intensive Mundpflege im häuslichen Umfeld erfolgreich sein kann, ein großes Thema in Wissenschaft und Praxis. Dazu kommt, dass eine solche Mundhygiene individuell angepasst sein sollte, damit sie spezifisch für den jeweiligen Patienten oder die Patientin wirken kann. Eine aktuelle Studie an der Abteilung für Zahnheilkunde der Buffalo Universität (New York) hat sich diesem Punkt der personalisierten Zahnpflege gewidmet. Studienteilnehmer waren Menschen mit Diabetes Typ 2, der meistverbreiteten Form, die in der Regel als erworben und nicht als angeboren gilt und meist erst nach der Jugendzeit auftritt. Während die eine Studiengruppe nur eine klassische Parodontaltherapie (ohne chirurgische Maßnahmen) und allgemeine Empfehlungen zur Mundpflege erhielt, nutzte die zweite Gruppe sowohl antiinfektiöse Mundspülmittel als auch zweimal täglich spezifische Zahnzwischenraumbürstchen. Das Ergebnis entsprach den Erwartungen: Die spezielle häusliche Mundhygiene machte den erheblichen Unterschied beim Erfolgsergebnis. Eine weitere Erkenntnis am Rande: Diese intensivierte Mundpflege wirkte bei Diabetes-Erkrankten besser als bei gesunden Vergleichspatienten – vermutlich reagiert die Wundheilung bei Menschen mit „Zuckerkrankheit“ anders als bei Nichterkrankten. Hier sei noch viel Forschung notwendig, so die Wissenschaftler.