DMS VI: Ergebnisse veröffentlicht

Das wissenschaftliche Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) überprüft seit einigen Jahrzehnten die Entwicklung der Mundgesundheit der Deutschen. Die aktuelle Deutsche Mundgesundheitsstudie Nummer 6 (DMS VI) ermöglicht Vergleiche mit den zurückliegenden Studien und passt sich auch diesmal wieder neuen Entwicklungen und Erkenntnissen in der Zahnmedizin an. So wurden Zahnstörungen wie „MIH“ neu aufgenommen und die Krankheitsstadien der Parodontitis einzeln betrachtet. Die Vergleiche über die Jahrzehnte liefern Anhaltspunkte, welche Einflüsse auf die zu beobachtenden Veränderungen hingewirkt haben, was wiederum Ansatzpunkte für den künftigen Umgang der Zahnmedizin mit diesem speziellen Bereich bietet. Erneut kann das IDZ-Team auf zwei große Erfolge der deutschen Zahnmedizin verweisen: Bei keiner anderen chronischen Erkrankung konnten durch Prävention so herausragende Erfolge erzielt werden wie bei der Vermeidung von Karies. Zudem nimmt die Zahnlosigkeit der Deutschen Bevölkerung seit Jahren und nun erneut mit besten Entwicklungsdaten rapide ab. Zahnlosigkeit führt – unbehandelt – nur beispielsweise zu Verformungen von Kieferknochen und Muskulatur mit entsprechenden Schmerz-Risiken, zu ästhetischen und funktionalen Problemen wie einem eingefallenen Mund und zu erheblichen Gesundheitsstörungen durch verändertes Ernährungsverhalten.

Masern: Signale im Mund

Masern gehören zu den hochansteckenden Viruserkranken, sie haben insbesondere bei jungen Kindern und Erwachsenen ab 20 Jahre ein großes Risiko für lebensbedrohliche Entwicklungen wie Hirn- und Lungenentzündungen. Wegen der Gefahr schwerstwiegender Folgen sind Masern meldepflichtig (Gesundheitsamt). Ziel nicht nur in Deutschland war es, die Masern vor allem durch Impfungen auszurotten: Da sich aber viele Menschen Impfungen und auch solchen gegen Masern verweigern (auch, weil sie Masern für eine ganz normale Kinderkrankheit halten), verbreiten sich die schwerwiegenden Infekte wieder mehr. Erste Anzeichen für Masern neben Unwohlsein, Fieber, Halsschmerzen – und ehe es zum typischen Ausschlag kommt – können Signale in der Mundschleimhaut sein: Es gibt sogar einen Ort im Mund, an dem die sogenannten Koplik-Flecken überwiegend auftauchen, und zwar gegenüber dem ersten und zweiten Oberkiefer-Molaren (Backenzahn). Sie zeigen sich als sehr kleine graufarbige Punkte mit rotem Umfeld und sind ein ganz eindeutiges Kennzeichen für Masern. In diesem Stadium vor Ausbruch der typischen Hautflecken sind Masern extrem ansteckend – die Signale früh zu erkennen und damit Kontakte zu anderen Menschen zu vermeiden, kann vor vielen schweren Erkrankungen und auch Todesfällen schützen.

Mundspüllösungen: nicht alle empfehlenswert

Immer mal wieder prüft die Stiftung Warentest die Vielfalt an Mundspüllösungen, ob sie den Erwartungen gerecht werden. Vor ein paar Wochen wurden diesmal 17 Produkte unter die Tester-Lupe genommen. Es gibt unterschiedliche Produktgruppen auf dem Markt, die man als „Mundspülung“ bezeichnen kann – von eher kosmetischen Mundwässern über Mundspüllösungen mit therapeutischen Zielen bis hin zu Medikamenten, die hochdosiert antibakteriell wirken und in der Regel in Verbindung mit einer Zahnbettbehandlung genutzt werden. Die getesteten Mundspüllösungen haben also Inhaltsstoffe, die bei der Verhinderung von Karies helfen, Zahnbelag vermeiden oder reduzieren, Zahnfleischentzündungen vorbeugen und die bakterielle Belastung im Zaum halten sollen. Ein besonderer Blick der Warentester galt aber auch dem Umweltaspekt insbesondere hinsichtlich der Verpackung und biologisch abbaubaren Stoffen. Das Ergebnis war unterschiedlich: Mit Blick auf Karies-Schutz waren fast alle Produkte laut Stiftung Warentest in Ordnung, ein Produkt wurde abgewertet, weil es kein Fluorid enthielt. Was Zahnfleischschutz und Zahnbelang-Reduzierung betrifft, sah das Ergebnis schon geteilter aus – nur acht der getesteten Produkte wiesen eine ausreichende Menge entsprechender Inhaltsstoffe auf. Was die Warentester deutlich kritisierten: 14 Produkte wurden in nicht recycelbaren Flaschen verkauft. Laut test-Angaben landen jährlich rund 75 Millionen leere Mundspüllösung-Flaschen im Müll. Zudem seien manche Produkte zusätzlich in Papphüllen verpackt. Problematisch sei meist der Klebstoff der Etiketten auf den Flaschen, der eine Wiederverwendung erschwere. Zwei Produkte seien in weißen PET-Flaschen erhältlich und damit für die Wiederverwertung nutzbar. Einen klaren Testsieger gab es auch, der von biologisch abbaubarem Inhalt über die Konzentration von Wirkstoffen bis zur recycelbaren Verpackung alle Zielkriterien erfüllte; die Ergebnisliste gibt es unter test.de.

Mikrobiom: Geschlechterunterschiede

Das Forschungsgebiet zu geschlechterspezifischer Medizin, insbesondere im Bereich Zahnmedizin, hat es mühsam: Dabei zeigen vielfältige und schon Jahre bekannte Studien, dass biologische Unterschiede relevant für den Heilungserfolg sein können – beispielsweise im Feld der Organtransplantationen, weil die „Andock-Zellen“, mit denen sich gespendete Organe im Körper des Empfängers anbinden, in Anzahl und Form bei Männern und Frauen je nach Organ unterschiedlich sein können. So kann ein männliches Organ im Körper einer Frau eher abgestoßen werden als wenn es in einen Männer-Körper eingesetzt worden wäre. Auch in der Zahnmedizin gibt es – allein schon wegen der hormonellen Unterschiede – einige Besonderheiten in der Mundgesundheit von Männern und Frauen. Diese aus dem Blick zu lassen, kann die Qualität der Therapie reduzieren. Dem Aspekt „Mikrobiom“, also dem Biofilm im Mund, hat sich jetzt eine US-amerikanische und italienische Forschergruppe angenommen. Die Frage war: Gibt es Unterschiede in der Zusammensetzung der Bakteriengruppen, und wenn ja, was bedeutet das für die Mundgesundheit? Untersucht wurden nur Probanden, die an einer Parodontitis leiden. Dabei zeigte sich, dass bei den Frauen die Anzahl der für die Zahnbett-Entzündung relevanten Keime deutlich erhöht waren im Vergleich zu den Männern. Die Immunreaktion verlief anders, vermutlich auch hormonell beeinflusst. Die Wissenschaftler empfehlen einen geschlechterspezifischen Präventions- und Therapieansatz bei der Parodontitis, um die Entwicklungen besser in den Griff zu bekommen.

Wenig Forschung: Cannabis und Mundgesundheit

Eine erhebliche Anzahl an Studien unterschiedlichster Fachdisziplinen beschäftigt sich mit den negativen Folgen des Tabak-Konsums – nur wenige dagegen richten ihren Blickpunkt auf Cannabis. Im Fachjournal des Amerikanischen Zahnärzteverbandes erschien kürzlich eine solche Arbeit von Wissenschaftlern der Universität von Buffalo – Auslöser der Studie war die Legalisierung des Konsums auch in einigen US-Bundesstaaten. Fast 5700 Teilnehmer an der Umfrage-Untersuchung haben über drei Jahre an der Erhebung teilgenommen. Während nicht wenige Cannabis-User täglich ihre Dosis konsumieren, galt als Voraussetzung für die Auswahl der Studienteilnehmer, dass sie mindestens einmal pro Monat im zurückliegenden Jahr Haschisch konsumiert hatten. Bei der Auswertung wurden klassische Faktoren für Mundinfektionen wie schwierige soziale Lage und Verhaltensauffälligkeiten wie Alkohol-Missbrauch herausgenommen, da es den Wissenschaftlern um den direkten Zusammenhang von Cannabis und Karies, Wurzelkaries und Zahnlosigkeit ging. Die Ergebnisse waren eindeutig: Das Risiko für eine Kronenkaries war bei den Cannabis-Usern um 17 Prozent erhöht, für Wurzelkaries um 55 Prozent und für Zahnverlust um 41 Prozent. Zwar seien Verzerrungen aufgrund unterschiedlich intensiv angegebener Cannabis-Nutzung enthalten, aber der Trend sei eindeutig, so die Wissenschaftler.

Mundbakterium: Risiko für Schlaganfall

Zu den weniger allseits bekannten Mundbakterien gehört Streptococcus anginosus (S. anginosus), das übrigens auch im Darm vorkommt, also genaugenommen ein Verdauungstrakt-Bakterium ist. Nun rückt es aus dem Abseits etwas mehr in den Mittelpunkt: Japanische Forscher an einem Schlaganfall-Zentrum haben entdeckt, dass Patienten, die gerade erst einen Schlaganfall hatten, eine im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich höhere Belastung an S. anginosus hatten. Unabhängig von anderen klassischen Risikofaktoren war die Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden, in dieser Gruppe um 20 Prozent höher als bei der Vergleichs-Population. Auch in der Nachbeobachtungszeit nach der Behandlung blieb das Risiko – bei Vorhandensein dieses Bakteriums – deutlich erhöht, anders als bei anderen bakteriellen Belastungen. Noch nicht geklärt ist der ursächliche Zusammenhang: Diese ersten Vorstudien lassen vermuten, dass die S. anginosus-Bakterien an (zumal geschwächten) Blutgefäßen andocken und zu Gefäßverletzungen führen. Die Belastung mit S. anginosus lässt sich allerdings auf ähnlichem Weg reduzieren wie die Belastung mit dem bekannten Steptococcus mutans aus der gleichen Bakterien-Großfamilie, so die Wissenschaftler: mit wirklich sorgfältiger Mundhygiene.

Alter: Was passiert mit den Zähnen?

Neue Untersuchungsverfahren können Antworten auf Fragen liefern, die sich – nicht nur die Zahnärzte – schon lange stellen: Was passiert eigentlich mit den Zähnen, wenn wir alt werden? Was verändert sich im Zahnschmelz? Und können wir etwas tun, damit die Zähne besser vor Zerstörung geschützt sind? Eine Wissenschaftlergruppe in Washington hat sich dem Thema zugewandt und die diagnostischen Möglichkeiten der Atomsonden-Tomografie genutzt. Es zeigte sich, dass bei älterem Zahnschmelz die Anordnung der Schmelz-Kristalle und die Zusammensetzung der Minerale kompakter ist als bei den Jüngeren, aber auch, dass gleichzeitig der Schmelz spröder wird. Das wiederum ist auf Verschiebungen in den Schmelzkristallen zurückzuführen, die sich über die Jahre aufgrund von Demineralisation und Remineralisation gebildet haben – als Folge von Ernährung und Fluorid-Zufuhr. Der ältere Zahnschmelz ist zwar resistenter gegen Säure-Schäden, aber auch anfälliger für Risse. Die noch laufende Studie, die auf ihren Erkenntnissen auch Empfehlungen für die Prävention von Zahnschäden und für die passgenaue Mundhygiene entwickeln will, stellt zum gegenwärtigen Zeitpunkt unter anderem fest, dass die Fluoridaufnahme zum Schutz vor Säureschäden nachweislich funktioniert: Die Fluorideinlagerungen aus früheren Jahren sind im älteren Zahnschmelz klar erkennbar.

Delfine: Zähne als Hörgerät

Was den Katzen ihre Schnurrhaare, sind den Delfinen ihre Zähne: Viele Tiere nutzen Ortungssysteme, um sich in dem Revier, wo sie unterwegs sind, zurechtzufinden. Wie jetzt Wissenschaftler einer japanischen Universität berichteten, nutzen Delfine für die Orientierung offenbar ihr Zähne. Diese scheinen Schallwellen zu empfangen und damit dem Tier Echos zu liefern zu seinem Umfeld. Grundsätzlich hatte man so etwas schon vermutet, nun aber konnte das Wissenschaftlerteam zeigen, dass die Delfin-Zähne aufgrund des überwiegend schwammartigen Kieferknochens beweglich im dortigen Zahnbett stehen und sich, was durchaus erstaunlich ist, zum Echo hin ausrichten können. Zudem sind sie mit einem ganzen Nervenbündel mit dem Wahrnehmungssystem verbunden und können somit auch feinste Echos weitermelden. Dass Delfine besonders gut hören können, hatte bereits zuvor auch das Militär erlebt: Auch sehr leise Sonargeräte hatten die Delfine bemerkt, ihr „Gehör“ war deutlich sensibler als erwartet. Der Einsatz von Sonargeräten in Küstenregionen kann für die Delfine schädigend bis lebensgefährlich sein. Die Gruppe der Delfine ist sehr artenreich, manche der über 40 Unterarten verfügt über bis zu 240 Zähne.

Pflegebedürftige: gut zahnärztlich versorgt?

Lange Jahre war die Zahnärzteschaft unzufrieden mit der zahnmedizinischen Versorgung von pflegebedürftigen Menschen mit Behinderungen. Wie so oft, stand die Bürokratie und Gesetzeslage einem vereinfachten Verfahren im Weg, sich zahnärztlich um die besonderen Bedürfnisse dieser Patientengruppe zu kümmern. Nun zeigen sich motivierende Entwicklungen, wie die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) mitteilte. Schon im Jahr 2018 hatte sie durchsetzen können, dass die Krankenkassen spezielle Leistungen für Pflegebedürftige übernehmen müssen. Insbesondere Vorsorgeleistungen spielen dabei eine große Rolle, aber auch die Einbindung von Pflegepersonen und Angehörigen in die Ausübung der Mundpflege. Nun hat die KZBV die aktuelle Situation erfasst und festgestellt, dass die Inanspruchnahme dieses Angebotes deutlich steigt. Eine gute Mundhygiene sei gerade für diese Menschen, die sich oft nicht selbst helfen können, enorm wichtig, weil das Risiko für Karies oder Mundschleimhauterkrankungen sowie Parodontitis entsprechend erheblich erhöht ist. Mit über 1 Million aufsuchender zahnärztlicher Kontroll- und Behandlungsterminen bei Pflegebedürftigen lag die Zahl in 2024 um 10 % über der des Vorjahres und erheblich über denen der zurückliegenden Jahre. Die KZBV will, so die Erklärung, diese besonders vulnerable Patientengruppe weiter im Blick behalten und die Einsatzmöglichkeiten über die Pflegeeinrichtungen hinaus auch auf Behinderteneinrichtungen ausweiten – und hofft, den Gesetzgeber dafür zu gewinnen.

Wurzelkanalbehandlung: Einfluss auf Herzgesundheit

Dass es enge Verbindungen gibt zwischen Entzündungen in Mund und Herzinfektionen, ist inzwischen bekannt und führt auch immer wieder zu gemeinsamen Empfehlungen der Kardiologischen und der Zahnmedizinischen Wissenschaft. Im Blickpunkt dabei stand bisher auf Seiten der Zahnärzte die Parodontitis, die Zahnbett-Entzündung. Mittlerweile rückt ein weiteres zahnmedizinisches Thema in den Fokus: Zahnwurzelentzündungen. In diesem Fall befindet sich der Entzündungsbereich nicht im Übergangsbereich von Zahn und Zahnfleisch, sondern tief im Kieferknochen an der Zahnwurzel. Eine Entzündung im Zahnwurzelbereich führt, ebenso wie bei einer Parodontitis, zu einer erheblichen Konzentration von Entzündungsmarkern im Blut. Das kann zu Gefäßverengungen führen, die ein hohes Risiko für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellen. Daher haben jetzt die Dachgesellschaft der deutschen zahnmedizinischen Wissenschaft (DGZMK) und die Fachgesellschaft für Endodontie DGET (Endodontie = Behandlung des Zahninneren und der Wurzel) eine Empfehlung herausgegeben, die über die Relevanz einer Zahnwurzelbehandlung als Risikominimierung für gefährliche Herzerkrankungen aufklärt. Studien zufolge führt eine erfolgreiche (die Entzündung beseitigende) Wurzelbehandlung zu einem Absinken des Risikos für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung um bis zu 84 % im Vergleich zur Nichtbehandlung einer Zahnwurzelentzündung.