Antibiotika: Verbrauch steigt

Mit zunehmenden Resistenzen der Bakterien gegen Antibiotika rief das Gesundheitswesen zu erheblicher Reduzierung des Arzneimittel-Verbrauchs auf, um die schärfste Waffen gegen bakterienbedingte Entzündungen nicht zu schwächen. Wie aktuelle Daten der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) zeigen, ist das Eindämmen des Verbrauchs nicht geglückt bisher: Im Vergleich zum Jahr 2022 lag die Anzahl der Antibiotika-Verordnungen im Jahr 2023 um fast 18,5 Prozent über derjenigen des Vorjahres – und rund 6 Prozent über der Verordnungszahl aus der Zeit vor der Pandemie. Wer sich für Zahlen interessiert: Die Kosten für die insgesamt rund 36 Millionen Packungen Antibiotika im Jahr 2023 lagen bei über 792 Millionen Euro. Ausgewertet hat die Daten das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO). Die Organisation kritisierte die Entwicklung deutlich und verwies auf das nicht gebannte Risiko der Resistenz. Die als „Reserve-Antibiotika“ bezeichneten Substanzen, die nur bei strengster Indikation eingesetzt werden dürfen, ist ebenfalls gestiegen. Diese Produkte seien eine derzeit hilfreiche und daher wertvolle Notfall-Option, der entsprechend zurückhaltende Einsatz sei bisher nicht gut genug gelungen. Bundesweit zeigen sich unterschiedliche Verordnungsdaten: Während Antibiotika-Verschreibungen in Hamburg vergleichsweise eher gering waren, führt das Saarland die Verordnungsliste deutlich an. Auch in der Zahnmedizin kann es zu Antibiotika-Bedarf kommen: Bei bestimmten gesundheitlichen Ausgangssituationen und Behandlungsschritten geht es nicht ohne antibiotische Unterstützung. Bereits im Sommer 2002 erschien daher eine Leitlinie für die zahnärztliche Praxis zu sorgsamem Einsatz (und Alternativen) einer Antibiotika-Begleitung zahnmedizinischer Maßnahmen.

Colitis ulcerosa: Zusammenhang mit Parodontitis

Etwa 150.000 Personen in Deutschland sind an Colitis ulcerosa (chronische Darmentzündung) erkrankt, einer der verschiedenen infektionsbedingten Darmerkrankungen (CED), zu denen auch Morbus Crohn gehört (chronische Entzündung des Magen-Darm-Traktes). Eine wissenschaftliche Studie chinesischer Forscher hat kürzlich den wechselseitigen Zusammenhang solcher CED-Erkrankungen und Parodontitis (Zahnbettentzündung) untersucht und dabei festgestellt, dass man die CED spezifisch betrachten muss. Während sich beispielsweise keine klare Kausalität zwischen Morbus Crohn und Parodontitis zeigte, was den Einfluss der Zahnbetterkrankung auf die Magen-Darm-Entzündung betrifft, fanden sich deutliche gegenseitig verstärkende Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Colitis ulcerosa. Allerdings ist es nicht so, dass es bei den anderen CED keine Verbindung zur Zahnbettentzündung gibt: Zwar hat sich nicht bestätigt, dass Parodontitis diese anderen chronischen Darmerkrankungen negativ belastet – aber umgekehrt zeigte sich deutlich, dass CED-Patienten ein erhöhtes Risiko für Entwicklung und Voranschreiten einer Parodontitis haben. Das Ergebnis der Auswertung von verschiedenen Studien mit insgesamt über 10 Millionen Teilnehmenden zeigt deutlich, dass die Forschung sich noch mehr mit den CED-Untergruppen befassen muss, um Zusammenhänge zu erkunden und entsprechend Maßnahmen für Prävention und Therapie für die Patienten zu formulieren.

Studie bestätigt: Gruppenprophylaxe wirkt

Langjährige Vergleichsstudien wie die Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS), deren 6. Studienband soeben veröffentlicht wurde, können Entwicklungen herausfiltern, die in Zusammenhang stehen mit den Daten der aktuellen Mundgesundheitsbilanz der Bevölkerung in Deutschland. Als ein Beispiel gilt die Begleitung der Kariesentwicklung und die Berücksichtigung der mundgesundheitlichen Rahmenbedingungen für Bevölkerung und Zahnarztpraxen seit der ersten Studie im Jahr 1989. Wie die aktuelle Ausgabe Nr. VI zeigt, ist die Zahngesundheit bei den heute 35-44Jährigen ein Beleg für die Nachhaltigkeit der zahnmedizinischen Prävention: Die Bevölkerungsgruppe hatte in ihrer Kindheit und Jugend bereits Prophylaxe-Erfahrung sowohl durch die Gruppenprophylaxe-Angebote in Kita und Schule als auch durch bedarfsgemäße Individualprophylaxe. Die Altersgruppe fiel schon in den zurückliegenden Studien durch eine deutlich gestiegene Zahngesundheit im Vergleich zu älteren Studienteilnehmern auf, aktuell seien sogar sieben Prozent der genannten Altersgruppe völlig kariesfrei (also auch ohne zurückliegend erfolgte Kariesbehandlung), und Zahnlosigkeit komme fast gar nicht mehr vor. Der gemeinsame Einsatz von Zahnärzten, Krankenkassen und Staat als Träger der Gruppenprophylaxe beweise damit hoch eindrucksvoll, was man durch koordinierte Anstrengungen erreichen kann, um eine chronische Erkrankung wie die Karies drastisch zurückzudrängen. Was sich seit Beginn der Studien ebenfalls erneut bestätigt: Am ehesten verbreitet ist Karies bei Kindern und Erwachsenen in bildungsfernen Schichten und bei Familien mit Migrationserfahrung. Aber auch hier gibt es deutliche Fortschritte: Von den etablierten und verbreiteten Prophylaxe-Maßnahmen haben auch diese Kinder und Familien profitiert.

Corona: Covid-Antikörper bei Zahnärzten

Ein großes Thema in der Zeit der Corona-Pandemie war die Frage, ob man noch zum Arzt kann oder Behandlungen verschieben sollte. Hinsichtlich zahnärztlicher Termine war das eher entspannt: Aufgrund der Schutzmaßnahmen, bei denen die Zahnärzte, die schon immer Mundschutz gewohnt waren, bereits früh in vorderster Linie standen, wurden Zahnarztbesuche eher wenig verschoben, zumal Schmerz nicht warten kann. Bisher ging man davon aus, dass aufgrund der gehobenen Schutzmaßnahmen ungeimpfte Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie ihr ungeimpftes Praxispersonal ein geringeres Risiko für eine Ansteckung hatten als die Durchschnittsbevölkerung – das hat sich als falsche Einschätzung erwiesen, wie nun Auswertungen von Studien aus dem ersten Quartal 2021 zeigen. Während das Ansteckungsrisiko bei der zu dieser Zeit noch weitgehend ungeimpften Bevölkerung bei rund 9 Prozent lag, lag es beim Team in der Zahnarztpraxis bei rund 13,5 Prozent. Das berufsspezifische Risiko für Covid-19 war diesen Studien zufolge deutlich höher als vermutet. Es sollen weitere Untersuchungen folgen, die spätere Entwicklungen in den Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung stellen, beispielsweise nach den weit verbreiteten Impfmaßnahmen und auch nach dem Ende der Pandemie.

DMS VI: Ergebnisse veröffentlicht

Das wissenschaftliche Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) überprüft seit einigen Jahrzehnten die Entwicklung der Mundgesundheit der Deutschen. Die aktuelle Deutsche Mundgesundheitsstudie Nummer 6 (DMS VI) ermöglicht Vergleiche mit den zurückliegenden Studien und passt sich auch diesmal wieder neuen Entwicklungen und Erkenntnissen in der Zahnmedizin an. So wurden Zahnstörungen wie „MIH“ neu aufgenommen und die Krankheitsstadien der Parodontitis einzeln betrachtet. Die Vergleiche über die Jahrzehnte liefern Anhaltspunkte, welche Einflüsse auf die zu beobachtenden Veränderungen hingewirkt haben, was wiederum Ansatzpunkte für den künftigen Umgang der Zahnmedizin mit diesem speziellen Bereich bietet. Erneut kann das IDZ-Team auf zwei große Erfolge der deutschen Zahnmedizin verweisen: Bei keiner anderen chronischen Erkrankung konnten durch Prävention so herausragende Erfolge erzielt werden wie bei der Vermeidung von Karies. Zudem nimmt die Zahnlosigkeit der Deutschen Bevölkerung seit Jahren und nun erneut mit besten Entwicklungsdaten rapide ab. Zahnlosigkeit führt – unbehandelt – nur beispielsweise zu Verformungen von Kieferknochen und Muskulatur mit entsprechenden Schmerz-Risiken, zu ästhetischen und funktionalen Problemen wie einem eingefallenen Mund und zu erheblichen Gesundheitsstörungen durch verändertes Ernährungsverhalten.

Masern: Signale im Mund

Masern gehören zu den hochansteckenden Viruserkranken, sie haben insbesondere bei jungen Kindern und Erwachsenen ab 20 Jahre ein großes Risiko für lebensbedrohliche Entwicklungen wie Hirn- und Lungenentzündungen. Wegen der Gefahr schwerstwiegender Folgen sind Masern meldepflichtig (Gesundheitsamt). Ziel nicht nur in Deutschland war es, die Masern vor allem durch Impfungen auszurotten: Da sich aber viele Menschen Impfungen und auch solchen gegen Masern verweigern (auch, weil sie Masern für eine ganz normale Kinderkrankheit halten), verbreiten sich die schwerwiegenden Infekte wieder mehr. Erste Anzeichen für Masern neben Unwohlsein, Fieber, Halsschmerzen – und ehe es zum typischen Ausschlag kommt – können Signale in der Mundschleimhaut sein: Es gibt sogar einen Ort im Mund, an dem die sogenannten Koplik-Flecken überwiegend auftauchen, und zwar gegenüber dem ersten und zweiten Oberkiefer-Molaren (Backenzahn). Sie zeigen sich als sehr kleine graufarbige Punkte mit rotem Umfeld und sind ein ganz eindeutiges Kennzeichen für Masern. In diesem Stadium vor Ausbruch der typischen Hautflecken sind Masern extrem ansteckend – die Signale früh zu erkennen und damit Kontakte zu anderen Menschen zu vermeiden, kann vor vielen schweren Erkrankungen und auch Todesfällen schützen.

Mundspüllösungen: nicht alle empfehlenswert

Immer mal wieder prüft die Stiftung Warentest die Vielfalt an Mundspüllösungen, ob sie den Erwartungen gerecht werden. Vor ein paar Wochen wurden diesmal 17 Produkte unter die Tester-Lupe genommen. Es gibt unterschiedliche Produktgruppen auf dem Markt, die man als „Mundspülung“ bezeichnen kann – von eher kosmetischen Mundwässern über Mundspüllösungen mit therapeutischen Zielen bis hin zu Medikamenten, die hochdosiert antibakteriell wirken und in der Regel in Verbindung mit einer Zahnbettbehandlung genutzt werden. Die getesteten Mundspüllösungen haben also Inhaltsstoffe, die bei der Verhinderung von Karies helfen, Zahnbelag vermeiden oder reduzieren, Zahnfleischentzündungen vorbeugen und die bakterielle Belastung im Zaum halten sollen. Ein besonderer Blick der Warentester galt aber auch dem Umweltaspekt insbesondere hinsichtlich der Verpackung und biologisch abbaubaren Stoffen. Das Ergebnis war unterschiedlich: Mit Blick auf Karies-Schutz waren fast alle Produkte laut Stiftung Warentest in Ordnung, ein Produkt wurde abgewertet, weil es kein Fluorid enthielt. Was Zahnfleischschutz und Zahnbelang-Reduzierung betrifft, sah das Ergebnis schon geteilter aus – nur acht der getesteten Produkte wiesen eine ausreichende Menge entsprechender Inhaltsstoffe auf. Was die Warentester deutlich kritisierten: 14 Produkte wurden in nicht recycelbaren Flaschen verkauft. Laut test-Angaben landen jährlich rund 75 Millionen leere Mundspüllösung-Flaschen im Müll. Zudem seien manche Produkte zusätzlich in Papphüllen verpackt. Problematisch sei meist der Klebstoff der Etiketten auf den Flaschen, der eine Wiederverwendung erschwere. Zwei Produkte seien in weißen PET-Flaschen erhältlich und damit für die Wiederverwertung nutzbar. Einen klaren Testsieger gab es auch, der von biologisch abbaubarem Inhalt über die Konzentration von Wirkstoffen bis zur recycelbaren Verpackung alle Zielkriterien erfüllte; die Ergebnisliste gibt es unter test.de.

Mikrobiom: Geschlechterunterschiede

Das Forschungsgebiet zu geschlechterspezifischer Medizin, insbesondere im Bereich Zahnmedizin, hat es mühsam: Dabei zeigen vielfältige und schon Jahre bekannte Studien, dass biologische Unterschiede relevant für den Heilungserfolg sein können – beispielsweise im Feld der Organtransplantationen, weil die „Andock-Zellen“, mit denen sich gespendete Organe im Körper des Empfängers anbinden, in Anzahl und Form bei Männern und Frauen je nach Organ unterschiedlich sein können. So kann ein männliches Organ im Körper einer Frau eher abgestoßen werden als wenn es in einen Männer-Körper eingesetzt worden wäre. Auch in der Zahnmedizin gibt es – allein schon wegen der hormonellen Unterschiede – einige Besonderheiten in der Mundgesundheit von Männern und Frauen. Diese aus dem Blick zu lassen, kann die Qualität der Therapie reduzieren. Dem Aspekt „Mikrobiom“, also dem Biofilm im Mund, hat sich jetzt eine US-amerikanische und italienische Forschergruppe angenommen. Die Frage war: Gibt es Unterschiede in der Zusammensetzung der Bakteriengruppen, und wenn ja, was bedeutet das für die Mundgesundheit? Untersucht wurden nur Probanden, die an einer Parodontitis leiden. Dabei zeigte sich, dass bei den Frauen die Anzahl der für die Zahnbett-Entzündung relevanten Keime deutlich erhöht waren im Vergleich zu den Männern. Die Immunreaktion verlief anders, vermutlich auch hormonell beeinflusst. Die Wissenschaftler empfehlen einen geschlechterspezifischen Präventions- und Therapieansatz bei der Parodontitis, um die Entwicklungen besser in den Griff zu bekommen.

Wenig Forschung: Cannabis und Mundgesundheit

Eine erhebliche Anzahl an Studien unterschiedlichster Fachdisziplinen beschäftigt sich mit den negativen Folgen des Tabak-Konsums – nur wenige dagegen richten ihren Blickpunkt auf Cannabis. Im Fachjournal des Amerikanischen Zahnärzteverbandes erschien kürzlich eine solche Arbeit von Wissenschaftlern der Universität von Buffalo – Auslöser der Studie war die Legalisierung des Konsums auch in einigen US-Bundesstaaten. Fast 5700 Teilnehmer an der Umfrage-Untersuchung haben über drei Jahre an der Erhebung teilgenommen. Während nicht wenige Cannabis-User täglich ihre Dosis konsumieren, galt als Voraussetzung für die Auswahl der Studienteilnehmer, dass sie mindestens einmal pro Monat im zurückliegenden Jahr Haschisch konsumiert hatten. Bei der Auswertung wurden klassische Faktoren für Mundinfektionen wie schwierige soziale Lage und Verhaltensauffälligkeiten wie Alkohol-Missbrauch herausgenommen, da es den Wissenschaftlern um den direkten Zusammenhang von Cannabis und Karies, Wurzelkaries und Zahnlosigkeit ging. Die Ergebnisse waren eindeutig: Das Risiko für eine Kronenkaries war bei den Cannabis-Usern um 17 Prozent erhöht, für Wurzelkaries um 55 Prozent und für Zahnverlust um 41 Prozent. Zwar seien Verzerrungen aufgrund unterschiedlich intensiv angegebener Cannabis-Nutzung enthalten, aber der Trend sei eindeutig, so die Wissenschaftler.

Mundbakterium: Risiko für Schlaganfall

Zu den weniger allseits bekannten Mundbakterien gehört Streptococcus anginosus (S. anginosus), das übrigens auch im Darm vorkommt, also genaugenommen ein Verdauungstrakt-Bakterium ist. Nun rückt es aus dem Abseits etwas mehr in den Mittelpunkt: Japanische Forscher an einem Schlaganfall-Zentrum haben entdeckt, dass Patienten, die gerade erst einen Schlaganfall hatten, eine im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich höhere Belastung an S. anginosus hatten. Unabhängig von anderen klassischen Risikofaktoren war die Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden, in dieser Gruppe um 20 Prozent höher als bei der Vergleichs-Population. Auch in der Nachbeobachtungszeit nach der Behandlung blieb das Risiko – bei Vorhandensein dieses Bakteriums – deutlich erhöht, anders als bei anderen bakteriellen Belastungen. Noch nicht geklärt ist der ursächliche Zusammenhang: Diese ersten Vorstudien lassen vermuten, dass die S. anginosus-Bakterien an (zumal geschwächten) Blutgefäßen andocken und zu Gefäßverletzungen führen. Die Belastung mit S. anginosus lässt sich allerdings auf ähnlichem Weg reduzieren wie die Belastung mit dem bekannten Steptococcus mutans aus der gleichen Bakterien-Großfamilie, so die Wissenschaftler: mit wirklich sorgfältiger Mundhygiene.