Mikrobiom: Geschlechterunterschiede

Das Forschungsgebiet zu geschlechterspezifischer Medizin, insbesondere im Bereich Zahnmedizin, hat es mühsam: Dabei zeigen vielfältige und schon Jahre bekannte Studien, dass biologische Unterschiede relevant für den Heilungserfolg sein können – beispielsweise im Feld der Organtransplantationen, weil die „Andock-Zellen“, mit denen sich gespendete Organe im Körper des Empfängers anbinden, in Anzahl und Form bei Männern und Frauen je nach Organ unterschiedlich sein können. So kann ein männliches Organ im Körper einer Frau eher abgestoßen werden als wenn es in einen Männer-Körper eingesetzt worden wäre. Auch in der Zahnmedizin gibt es – allein schon wegen der hormonellen Unterschiede – einige Besonderheiten in der Mundgesundheit von Männern und Frauen. Diese aus dem Blick zu lassen, kann die Qualität der Therapie reduzieren. Dem Aspekt „Mikrobiom“, also dem Biofilm im Mund, hat sich jetzt eine US-amerikanische und italienische Forschergruppe angenommen. Die Frage war: Gibt es Unterschiede in der Zusammensetzung der Bakteriengruppen, und wenn ja, was bedeutet das für die Mundgesundheit? Untersucht wurden nur Probanden, die an einer Parodontitis leiden. Dabei zeigte sich, dass bei den Frauen die Anzahl der für die Zahnbett-Entzündung relevanten Keime deutlich erhöht waren im Vergleich zu den Männern. Die Immunreaktion verlief anders, vermutlich auch hormonell beeinflusst. Die Wissenschaftler empfehlen einen geschlechterspezifischen Präventions- und Therapieansatz bei der Parodontitis, um die Entwicklungen besser in den Griff zu bekommen.

Wenig Forschung: Cannabis und Mundgesundheit

Eine erhebliche Anzahl an Studien unterschiedlichster Fachdisziplinen beschäftigt sich mit den negativen Folgen des Tabak-Konsums – nur wenige dagegen richten ihren Blickpunkt auf Cannabis. Im Fachjournal des Amerikanischen Zahnärzteverbandes erschien kürzlich eine solche Arbeit von Wissenschaftlern der Universität von Buffalo – Auslöser der Studie war die Legalisierung des Konsums auch in einigen US-Bundesstaaten. Fast 5700 Teilnehmer an der Umfrage-Untersuchung haben über drei Jahre an der Erhebung teilgenommen. Während nicht wenige Cannabis-User täglich ihre Dosis konsumieren, galt als Voraussetzung für die Auswahl der Studienteilnehmer, dass sie mindestens einmal pro Monat im zurückliegenden Jahr Haschisch konsumiert hatten. Bei der Auswertung wurden klassische Faktoren für Mundinfektionen wie schwierige soziale Lage und Verhaltensauffälligkeiten wie Alkohol-Missbrauch herausgenommen, da es den Wissenschaftlern um den direkten Zusammenhang von Cannabis und Karies, Wurzelkaries und Zahnlosigkeit ging. Die Ergebnisse waren eindeutig: Das Risiko für eine Kronenkaries war bei den Cannabis-Usern um 17 Prozent erhöht, für Wurzelkaries um 55 Prozent und für Zahnverlust um 41 Prozent. Zwar seien Verzerrungen aufgrund unterschiedlich intensiv angegebener Cannabis-Nutzung enthalten, aber der Trend sei eindeutig, so die Wissenschaftler.

Mundbakterium: Risiko für Schlaganfall

Zu den weniger allseits bekannten Mundbakterien gehört Streptococcus anginosus (S. anginosus), das übrigens auch im Darm vorkommt, also genaugenommen ein Verdauungstrakt-Bakterium ist. Nun rückt es aus dem Abseits etwas mehr in den Mittelpunkt: Japanische Forscher an einem Schlaganfall-Zentrum haben entdeckt, dass Patienten, die gerade erst einen Schlaganfall hatten, eine im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich höhere Belastung an S. anginosus hatten. Unabhängig von anderen klassischen Risikofaktoren war die Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden, in dieser Gruppe um 20 Prozent höher als bei der Vergleichs-Population. Auch in der Nachbeobachtungszeit nach der Behandlung blieb das Risiko – bei Vorhandensein dieses Bakteriums – deutlich erhöht, anders als bei anderen bakteriellen Belastungen. Noch nicht geklärt ist der ursächliche Zusammenhang: Diese ersten Vorstudien lassen vermuten, dass die S. anginosus-Bakterien an (zumal geschwächten) Blutgefäßen andocken und zu Gefäßverletzungen führen. Die Belastung mit S. anginosus lässt sich allerdings auf ähnlichem Weg reduzieren wie die Belastung mit dem bekannten Steptococcus mutans aus der gleichen Bakterien-Großfamilie, so die Wissenschaftler: mit wirklich sorgfältiger Mundhygiene.

Alter: Was passiert mit den Zähnen?

Neue Untersuchungsverfahren können Antworten auf Fragen liefern, die sich – nicht nur die Zahnärzte – schon lange stellen: Was passiert eigentlich mit den Zähnen, wenn wir alt werden? Was verändert sich im Zahnschmelz? Und können wir etwas tun, damit die Zähne besser vor Zerstörung geschützt sind? Eine Wissenschaftlergruppe in Washington hat sich dem Thema zugewandt und die diagnostischen Möglichkeiten der Atomsonden-Tomografie genutzt. Es zeigte sich, dass bei älterem Zahnschmelz die Anordnung der Schmelz-Kristalle und die Zusammensetzung der Minerale kompakter ist als bei den Jüngeren, aber auch, dass gleichzeitig der Schmelz spröder wird. Das wiederum ist auf Verschiebungen in den Schmelzkristallen zurückzuführen, die sich über die Jahre aufgrund von Demineralisation und Remineralisation gebildet haben – als Folge von Ernährung und Fluorid-Zufuhr. Der ältere Zahnschmelz ist zwar resistenter gegen Säure-Schäden, aber auch anfälliger für Risse. Die noch laufende Studie, die auf ihren Erkenntnissen auch Empfehlungen für die Prävention von Zahnschäden und für die passgenaue Mundhygiene entwickeln will, stellt zum gegenwärtigen Zeitpunkt unter anderem fest, dass die Fluoridaufnahme zum Schutz vor Säureschäden nachweislich funktioniert: Die Fluorideinlagerungen aus früheren Jahren sind im älteren Zahnschmelz klar erkennbar.

Delfine: Zähne als Hörgerät

Was den Katzen ihre Schnurrhaare, sind den Delfinen ihre Zähne: Viele Tiere nutzen Ortungssysteme, um sich in dem Revier, wo sie unterwegs sind, zurechtzufinden. Wie jetzt Wissenschaftler einer japanischen Universität berichteten, nutzen Delfine für die Orientierung offenbar ihr Zähne. Diese scheinen Schallwellen zu empfangen und damit dem Tier Echos zu liefern zu seinem Umfeld. Grundsätzlich hatte man so etwas schon vermutet, nun aber konnte das Wissenschaftlerteam zeigen, dass die Delfin-Zähne aufgrund des überwiegend schwammartigen Kieferknochens beweglich im dortigen Zahnbett stehen und sich, was durchaus erstaunlich ist, zum Echo hin ausrichten können. Zudem sind sie mit einem ganzen Nervenbündel mit dem Wahrnehmungssystem verbunden und können somit auch feinste Echos weitermelden. Dass Delfine besonders gut hören können, hatte bereits zuvor auch das Militär erlebt: Auch sehr leise Sonargeräte hatten die Delfine bemerkt, ihr „Gehör“ war deutlich sensibler als erwartet. Der Einsatz von Sonargeräten in Küstenregionen kann für die Delfine schädigend bis lebensgefährlich sein. Die Gruppe der Delfine ist sehr artenreich, manche der über 40 Unterarten verfügt über bis zu 240 Zähne.

Pflegebedürftige: gut zahnärztlich versorgt?

Lange Jahre war die Zahnärzteschaft unzufrieden mit der zahnmedizinischen Versorgung von pflegebedürftigen Menschen mit Behinderungen. Wie so oft, stand die Bürokratie und Gesetzeslage einem vereinfachten Verfahren im Weg, sich zahnärztlich um die besonderen Bedürfnisse dieser Patientengruppe zu kümmern. Nun zeigen sich motivierende Entwicklungen, wie die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) mitteilte. Schon im Jahr 2018 hatte sie durchsetzen können, dass die Krankenkassen spezielle Leistungen für Pflegebedürftige übernehmen müssen. Insbesondere Vorsorgeleistungen spielen dabei eine große Rolle, aber auch die Einbindung von Pflegepersonen und Angehörigen in die Ausübung der Mundpflege. Nun hat die KZBV die aktuelle Situation erfasst und festgestellt, dass die Inanspruchnahme dieses Angebotes deutlich steigt. Eine gute Mundhygiene sei gerade für diese Menschen, die sich oft nicht selbst helfen können, enorm wichtig, weil das Risiko für Karies oder Mundschleimhauterkrankungen sowie Parodontitis entsprechend erheblich erhöht ist. Mit über 1 Million aufsuchender zahnärztlicher Kontroll- und Behandlungsterminen bei Pflegebedürftigen lag die Zahl in 2024 um 10 % über der des Vorjahres und erheblich über denen der zurückliegenden Jahre. Die KZBV will, so die Erklärung, diese besonders vulnerable Patientengruppe weiter im Blick behalten und die Einsatzmöglichkeiten über die Pflegeeinrichtungen hinaus auch auf Behinderteneinrichtungen ausweiten – und hofft, den Gesetzgeber dafür zu gewinnen.

Wurzelkanalbehandlung: Einfluss auf Herzgesundheit

Dass es enge Verbindungen gibt zwischen Entzündungen in Mund und Herzinfektionen, ist inzwischen bekannt und führt auch immer wieder zu gemeinsamen Empfehlungen der Kardiologischen und der Zahnmedizinischen Wissenschaft. Im Blickpunkt dabei stand bisher auf Seiten der Zahnärzte die Parodontitis, die Zahnbett-Entzündung. Mittlerweile rückt ein weiteres zahnmedizinisches Thema in den Fokus: Zahnwurzelentzündungen. In diesem Fall befindet sich der Entzündungsbereich nicht im Übergangsbereich von Zahn und Zahnfleisch, sondern tief im Kieferknochen an der Zahnwurzel. Eine Entzündung im Zahnwurzelbereich führt, ebenso wie bei einer Parodontitis, zu einer erheblichen Konzentration von Entzündungsmarkern im Blut. Das kann zu Gefäßverengungen führen, die ein hohes Risiko für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellen. Daher haben jetzt die Dachgesellschaft der deutschen zahnmedizinischen Wissenschaft (DGZMK) und die Fachgesellschaft für Endodontie DGET (Endodontie = Behandlung des Zahninneren und der Wurzel) eine Empfehlung herausgegeben, die über die Relevanz einer Zahnwurzelbehandlung als Risikominimierung für gefährliche Herzerkrankungen aufklärt. Studien zufolge führt eine erfolgreiche (die Entzündung beseitigende) Wurzelbehandlung zu einem Absinken des Risikos für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung um bis zu 84 % im Vergleich zur Nichtbehandlung einer Zahnwurzelentzündung.

Vegetarier: Ernährung unserer Vorfahren

Üblicherweise geistert durch die Vorstellungen von der Geschichte der Menschheit das Bild vom Jäger und Sammler, der zur Freude seines Stammes einen erlegten Büffel heimbringt. Das Bild muss teilweise korrigiert werden, ergab nun eine Mainzer Forschungsarbeit in Zusammenarbeit mit südafrikanischen Kollegen. Eine Untersuchung fossiler Zähne per Isotopenmessung hat gezeigt, dass Vormenschen vor rund dreieinhalb Millionen Jahren im Süden Afrikas (gemeint ist hier der sogenannte Australopithecus) gar kein oder nur sehr wenig Fleisch im Ernährungsalltag hatten. Man ernährte sich also vegetarisch. Bisher ist nicht bekannt, ab wann Fleisch eine größere Rolle in der Ernährung eingenommen hat – und ab wann sich somit als Folge einer proteinreicheren Ernährung ein größeres Gehirnvolumen und mehr technische Fähigkeiten entwickelten. Wer dennoch an seinem Bild vom Jäger mit Büffel festhalten möchte, kann dies gern tun: Eine andere Gruppe aus dem Kreis der Vormenschen tat dies tatsächlich: die Neandertaler. Nur lebten sie viel später, vor rund 400.000 Jahren im nordöstlichen Teil der Weltkugel, und vor rund 40.000 Jahren starben sie aus. Vegetarisches Leben ist also keine Erfindung der Neuzeit, sondern genaugenommen die Ernährung unserer ältesten Vorfahren.

Aufgepolsterte Lippen: riskant

Der Modetrend „aufgepolsterte Lippen“ hat seine gesundheitlichen Schattenseiten, darauf weisen Verbraucherschützer hin. Insbesondere sogenannte Lip-Plumper, die ohne Unterspritzung für einen Schmollmund sorgen sollen, könnten Inhaltsstoffe enthalten, die das Erbgut schädigen und das Krebsrisiko erhöhen. Die österreichische „Konsumenteninformation“ warnt vor verschiedenen Inhaltsstoffen wie Titandioxid, Polybutene, Paraffin, Cera Microcristallina und weiteren riskanten Stoffen und rät grundsätzlich von Lip-Plumpern auf Mineralölbasis ab. Die aufplusternde Wirkung bei diesen aufgetragenen Produkten basiert auf der gesteigerten Durchblutung, die von reizauslösenden Wirkstoffen wie Menthol, Chile, Ingwer und ähnlichen ausgeht. Damit untermauert die österreichische Verbraucherschutzorganisation nun kritische Warnungen von Stiftung Warentest vom Oktober 2024. Bei diesem Test fielen 8 Produkte sofort durch aufgrund ihres Gehaltes an Titandioxid. Nur 2 Produkte erhielten, aufgrund unbedenklicher Zusammensetzung, das Go seitens des Test-Teams. Wer voller wirkende Lippen wolle, könne auch zu Lipgloss greifen, so der Fachverband der Kosmetikindustrie, und sich gesundheitliche Risiken ersparen.

Fluoride: Diskussion aus den USA

Die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ) stellt fest, dass „die in den USA entbrannte Debatte um die Trinkwasserfluoridierung den Weg nach Deutschland findet – obwohl Trinkwasser hierzulande gar nicht fluoridiert wird.“ Sie warnt vor falschen Schlüssen. In den vergangenen Jahren habe es Studien gegeben, die nachzuweisen versucht hätten, dass Trinkwasserfluoridierung nachteilige Folgen für die gesundheitliche Entwicklung bei Kindern habe – wissenschaftlich bestätigt sei dies in keinem Fall, zudem durch Medienberichte in der Dateninterpretation auch verzerrt worden. Beispielsweise stammten rund dreiviertel aller herangezogenen Studien aus China, aus Gebieten mit sehr hoher natürlicher Fluoridkonzentration im Trinkwasser, zudem wurden auch Elemente wie Arsen dort gefunden. Die in China gefundenen Fluoridkonzentrationen seien in Deutschland unrealistisch und weder durch Tablettenaufnahme noch lokales Auftragen zu erreichen. In Deutschland gibt es einen Grenzwert laut Trinkwasserverordnung von 1,5 mg Fluorid pro Liter, fast überall in Deutschland läge der tatsächliche Anteil bei 0,3 %. Studien aus Ländern, die mit der deutschen Trinkwasser-Situation vergleichbar seien, hätten keinerlei Zusammenhänge von Fluoridgehalt im Trinkwasser und Entwicklungsstörungen bei Kindern gezeigt. Die Fluoridierung bleibt ein wichtiges, anerkanntes und bestätigtes Verfahren zum Schutz der Zähne vor säurebedingter Zerstörung.