Implantate: Gefühl „wie echt“

Eigentlich ein naheliegender Gedanke: Wie sich etwas anfühlt, liegt zum einen an dem „etwas“, also, was es ist, und zum anderen am „Gefühl“, wie das Gehirn dieses „etwas“, über das es Informationen bekommt, beurteilt. Wenn sich also beispielsweise ein Implantat so anfühlen soll wie ein natürlicher Zahn, muss man nicht nur an das Implantat denken, sondern auch an die „Botschafter der Empfindungen“, die Nerven, die das Gehirn über die Lage vor Ort informieren. Genau das haben jetzt Wissenschaftler der Massachusetts Universität ausprobiert. Sie haben (an einer Ratte) ein entsprechend mit Stammzellen und speziellem Protein beschichtetes Implantat eingesetzt, das die Entwicklung von Nervengewebe dicht am Implantat fördert. Die entstehenden Strukturen entwickelten sich ähnlich dem natürlichen Gewebe rund um den Zahn – mit der Möglichkeit, auch Empfindungen wie Druck zu spüren und die Position im Mund, wo sich das Implantat befindet. All solche sensorischen Erfahrungen sind bisher nicht fühlbar, da bei der Implantation die Nervenbahnen unterbrochen sind. Die Versuche am Tiermodell sind bisher nicht übertragbar – die Idee ist es aber durchaus, und wenn die nächste Studienebene bestätigt, dass das Gehirn die gewünschten Signale auch tatsächlich empfängt und weiterleitet, wird sich sicher ein Weg finden, diesen Prozess auch für Menschen denkbar zu machen.

Speichel: Diagnose-Hilfe

Genaugenommen sollte es eigentlich nicht sonderlich verwundern, wenn man demnächst Speichelproben nutzt, um die Darmgesundheit zu prüfen, genauer: die Zusammensetzung der dortigen Bakterienkulturen. Schließlich hat der Mundraum auch eine Schleimhaut wie der Darm, zudem ist beides über Speiseröhre und Magen miteinander verbunden. Was so banal klingt, ist eine große Sache: Eine ausgewogene Darmbakterienkultur ist elementar für eine stabile Gesundheit. Dem Aspekt Ernährung kommt also ein erhebliches Gewicht zu. Zu wissen, wie es dem Darm geht, ist wertvoll. Engagiert in Forschung und Entwicklung eines solchen Speicheltests ist ein Wissenschaftlerteam an der Universität Hohenheim. Am Beispiel der Prevotella-Bakterienfamilie zeigen die Forscher, warum die vergleichsweise einfache Test-Möglichkeit so nützlich ist: Menschen, die „Prevotella-Typen“ sind, zeigen weniger riskante Bakteriengruppen und auch besonders niedrige Entzündungsmarker-Werte auf – sind also weniger infektionsgefährdet als andere Personen. Eine Speichelprobe ist der einfachste Weg, Klarheit über die Lage im körpereigenen „Gesundheitszentrum“ zu gewinnen und eventuell therapeutisch in riskante Entwicklungen einzugreifen.

Schmerzempfindliche Zähne: Nanotechnik-Test

Wenn Zähne empfindlich auf Kälte oder Wärme reagieren, kann das den Alltag ziemlich belasten. Der Schmerz sticht ordentlich zu. Kein Wunder also, wenn schon immer Wissenschaftler und Entwickler zusammenarbeiten, um die Schmerzsensibilität der Zähne herabzusetzen. Beispielsweise können, je nach Ort der Schmerzempfindlichkeit, diese Stellen an den Zähnen mit einer Versiegelung geschützt werden, oder man trägt entsprechende Schutzprodukte auf, die eine kleine Hürde für die Temperaturbelastungen schaffen. Aber: Alles wirkt nur vorrübergehend. Nun haben indische Wissenschaftler etwas Neues ausprobiert, das nachhaltig helfen soll: Sie haben Nanopartikel entwickelt, die in die Dentinkanäle eindringen und die Nervenenden schützen: Damit ersetzen sie verloren gegangenes Material, das bisher die Enden der Zahnnerven vor Kontakt mit Reizen wie Kälte oder Hitze bewahrt hatte. Woher wissen die biokeramischen Nanopartikel (CalBots genannt) aber, wo genau sie hin müssen auf ihrem Weg? Das machten die Wissenschaftler mit Magneten. Dem CalBot-Material, Kalziumsilikat, sind winzigste Eisenoxid-Partikel beigefügt, und diese bringen durch Magnetfelder die Nanopartikel in die Dentinkanälchen. Dort verhärtet alles zu einem zementähnlichen Stopfen, der sich an der natürlichen Zahnumgebung orientiert. Die Erfolge motivieren das Wissenschaftler-Team, das bisher sein Konzept an Mäusen getestet hat, nun auch klinische Tests mit Menschen durchzuführen, die unter schmerzempfindlichen Zähnen leiden.

Zucker: Frauen haben Depressionsrisiko

Dass Zuckerkonsum schlecht für die Mundgesundheit ist, wissen heute schon Kinder. Auch dass viel Zuckergenuss das Risiko für Übergewicht erhöht, für Diabetes Typ 2 und auch Herzkreislauferkrankungen, ist keine Neuigkeit mehr. Nun gibt es aber erste Erkenntnisse, dass zuckerhaltige Getränke im Darm für Veränderungen sorgen, die bei Frauen – und nur bei Frauen – zur Entwicklung einer Depression führen können. Das hat eine entsprechende wissenschaftliche Arbeit am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung ergeben. Der Forschungsarbeit zugrunde lagen Daten aus einer umfangreichen Kohortenstudie im Bereich der Allgemeinbevölkerung. Letztlich in die Zucker-Studie einbezogen wurden rund 930 Personen, darunter rund 400 mit einer schweren Depressionsstörung und rund 530 Gesunde. Im Ergebnis zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen der konsumierten Menge an gezuckerten Getränken und Depressionen, bei hohem Mengenkonsum auch schweren Depressionen. Ursächlich für diesen Zusammenhang scheint ein spezielles Darmbakterium zu sein, das schon aus früheren Untersuchungen in Verbindung mit Depressionen steht – die aktuelle Studie untermauert dessen biologische Rolle. Auffällig war: Nur bei Frauen fand sich dieser Zusammenhang. Die Wissenschaftler vermuten, dass geschlechtsspezifische Immun-Reaktionen oder auch hormonelle Faktoren für dieses Ergebnis verantwortlich sind. Wiewohl noch vertiefende Forschung notwendig ist, sei aber schon jetzt deutlich, dass der Einfluss der Ernährung auf die Möglichkeit der Entwicklung einer Depression mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit und auch der ärztlichen Aufklärungsmaßnahmen genommen werden sollte. Und: Zuckerkonsum reduzieren nutzt auch noch der Zahn- und Mundgesundheit.

Keime aus dem Mund: Risiko für Bauchspeicheldrüse

In New York prüfte eine Wissenschaftlergruppe, nachdem sie einen entsprechenden Verdacht hatte, ob Bakterien und Pilze aus dem Mundraum etwas mit Speicheldrüsenkrebs zu tun haben könnten. Eine gleich große Gruppe an Menschen mit derartigem Krebs und solchen in gesundem Zustand (jeweils 445 Personen) wurde hinsichtlich ihrer Mund-Keime und speziellen Auffälligkeiten untersucht. Von den hunderten Bakteriengruppen erwiesen sich insbesondere drei Parodontitis-Erreger und unter den Mundpilzen insbesondere die Candida-Familie als hoch risikoreich. Die Ergebnisse sind nicht zuletzt aufgrund der vergleichsweise hohen Anzahl an Studienteilnehmern und der Detail-Tiefe des Studienaufbaus relevant, so die Einschätzung der Wissenschaftler. Die Bedeutung der Mundbakterien und Pilze für die Allgemeingesundheit und damit auch das Risiko von Erkrankungen sei groß. Die Forscher untermauern mit ihrer Untersuchung nicht nur den Bedarf nach regelmäßiger professioneller Zahnreinigung für die Tiefenreinigung von Zähnen und Zahnfleisch in der Zahnarztpraxis, sondern auch die Notwendigkeit häuslicher Mundhygiene unter Einbeziehung der Zahnzwischenraumpflege.

Herzklappenersatz: vorher Zähne sanieren

Dass Bakterien aus dem Mund, über die Blutbahn in den Körper getragen, an verschiedenen Stellen zu Entzündungen führen oder bestehende verschlimmern können, ist inzwischen auch vielen Patienten bekannt. Dass man sie vor bestimmten Infektionen möglichst nachhaltig aus dem Mund beseitigen sollte, aber noch nicht. Vor einem anstehenden Ersatz der Herzklappen beispielsweise sollte der Mund weitgehend gesund und frei von krankmachenden Bakterien sein. Laut verschiedener Studien entwickelt sich durchschnittlich bei jedem fünften Herzklappenpatienten im ersten Jahr nach der Operation eine Endokarditis, eine Entzündung der Herzinnenhaut – ein hohes Risiko dafür stellen spezielle Bakterien aus dem Mund dar, zumal dann, wenn eine Zahnbettentzündung besteht oder wenn nach der Herzoperation eine invasive zahnmedizinische Behandlung ansteht. Um dieses Risiko zu reduzieren, sollen – so eine aktualisierte Leitlinie der wissenschaftlichen zahnmedizinischen Gesellschaften – bereits vor der Herzklappen-Operation die bakteriellen Ablagerungen im Mund beseitigt und notwenige Behandlungen eventuell vorgezogen werden. Bei invasivem Vorgehen wird in der Zahnarztpraxis ein „antibiotischer Schirm“ aufgespannt, durch Gabe antientzündlicher Medikamente also ein Infektionsschutz gegeben. Auch nach dem erfolgten Herzklappenersatz sind Zahnarztbesuche wichtig: Dabei wird engmaschig geprüft, ob die bakterielle Mundbesiedelung im biologischen Gleichgewicht ist. Schonendes, aber häufiges häusliches Zähneputzen mit Reinigung der Zahnzwischenräume ist selbstverständlich – in OP-Zeiten ganz besonders.

Spannende Studie: Haifischzähne und Säure

Was schon lange aus der menschlichen Mundgesundheit bekannt ist, bestätigte sich jetzt auch bei Haifischen: Säure schadet dem Zahnschmelz. Sie löst kleinste Partikel aus der kristallinen Struktur und destabilisiert dadurch das härteste Körpermaterial. Diese Folgen haben Düsseldorfer Zoologen und Biologen jetzt bei Haifischen nachgewiesen: Säure greift die Zähne der Fische an. Das allein wäre nicht so ungewöhnlich, schließlich ist der Prozess ja bekannt. Die Frage war vielmehr: Wo kommt diese Säure her? Darauf haben die Wissenschaftler auch eine Antwort, und diese geht uns alle an: Die Ozeane versauern derzeit immer mehr. Das immer mehr freigesetzte CO2 (Kohlendioxid) gelangt nicht nur in die Luft, sondern auch ins Wasser und senkt den natürlichen ph-Wert, was bedeutet, dass der Säurewert des Wassers steigt. Dabei hat das Studienteam dieser Entwicklung etwas vorgegriffen und einen höheren Säurewert simuliert, als es ihn heute gibt – und zwar den, der für das Jahr 2300 erwartet wird. Erste Anzeichen von Säureschäden gibt es aber auch schon heute – die Wissenschaftler weisen mit ihrer Simulation darauf hin, diese Entwicklung mit im Blick zu haben beim Umgang mit Kohlendioxid und den CO2-Einsparzielen. Die Folgen für die Ozeane betreffen nicht nur die Haifischzähne, sondern diese sind nur eindrucksvoller Marker für die insgesamt gefährliche Entwicklung, deren Konsequenzen für die Meere noch gar nicht allen Menschen bewusst sind

Antibiotika: auch Thema in der Zahnmedizin

Wer an Antibiotika-Verbrauch denkt, dem fallen vermutlich schwere und lebensbedrohliche Erkrankungen ein. Was viele nicht wissen: Auch in der Zahnmedizin sind Antibiotika ein fester und wichtiger Bestandteil mancher Behandlungsverfahren. Jedes siebte Antibiotikum-Rezept kommt aus der Zahnarztpraxis. Und deshalb ist das Thema „Antibiotika-Resistenz“ auch fester Bestandteil der zahnärztlichen Fortbildung. Kürzlich hat sich ein Wissenschaftler-Team der Universität Gießen mit genau diesem Aspekt befasst: Was für Medikamente werden eingesetzt, welche bei bekannten beziehungsweise vermuteten Penicillin-Allergien, und wie sieht es aus mit den Resistenzen? Dabei ging es weniger um Zahlen und Verbrauchsentwicklungen, sondern um die grundsätzliche Frage, wie es um Gegenwart und Zukunft der oft überlebenswichtigen Medikamente steht. Schon zuvor hatte eine Forschungsarbeit einer US-Wissenschaftlergruppe gezeigt, dass bei rund 95 Prozent aller Probanden, die angaben, unter einer Penicillin-Allergie zu leiden, überhaupt keine allergischen Reaktionen zu finden waren. Dennoch waren diese hohen Werte Anlass für die groß angelegte Suche nach Alternativen. Zu diesen Entwicklungen gehört das Präparat Clindamycin. Die Gießener Forschergruppe stellte fest, dass Clindamycin in den Zahnarztpraxen sehr häufig eingesetzt wird, in 21 % aller Fälle von Antibiotika-Verordnung, offenbar auch hier aufgrund angegebener Penicillin-Allergien, obwohl es hinsichtlich der Nebenwirkungen und des Resistenzrisikos eher kritisch gesehen wird. Die Gießener Forscher regen an, sowohl die Leitlinien als auch die fachliche Aufklärung zu aktualisieren und damit auch mit dazu beizutragen, dass Antibiotika-Resistenzen eingedämmt werden.

Zahnschmelz: wie reparieren?

Das härteste Material im Körper ist verwundbar: Zahnschmelz kann Löcher bekommen durch Auflösung seiner kristallinen Struktur, und er kann brechen. Reparieren kann man Schmelzschäden auch heute schon: mit Fremdmaterial, das die Lücke oder das Loch füllt. Das ist gut so – es geht aber noch besser, sagte sich ein Londoner Forscher-Team: Es wäre doch gut, wenn nicht einfach nur etwas Fremdes eingebracht wird, sondern eine Zahnschmelz-ähnliche Struktur wiederersteht. Potential, so die Forscher, hat dabei das Keratin. Keratin ist sowohl beim Menschen als auch beim Tier vielfältig vorhanden, in Haaren, in den Nägeln, im Fell, in Federn, auch in den Vogel-Schnäbeln. Bei der Studie wurde Keratin auf Zahnoberflächen aufgetragen. Im Kontakt mit Speichel kam es dabei zu einer Reaktion, die eine dem Zahnschmelz sehr ähnliche Kristallschicht ergab. Diese neue Schicht wirkte wie ein Schutzwall gegen Belastungen der Zahnnerven. Das Keratin spielt dabei nicht die Rolle eines externen Stoffes, wie Zahnfüllungen oder Fluorid, sondern wird Teil des natürlichen Prozesses: Es ist zudem leicht und auch sehr günstig zu gewinnen, aus Wolle, Haaren oder auch Fell, und könnte die Zahnmedizin als biologisches Material weiterentwickeln. Ob und wie die Erkenntnisse schließlich in Form von Produkten in der Zahnarztpraxis oder im heimischen Badezimmer landen, ist noch offen – der erste Schritt ist aber gemacht. Das Potential ist erkannt.

Dino-Zähne: Klima-Botschafter der Geschichte

Alte Zähne – neue Messmethoden: Im Schnitt 150 Millionen Jahre alt sind die Dinosaurier-Zähne, die sich eine Forschungsgruppe an drei deutschen Universitäten als Studienobjekte ausgesucht hat. Mit hochsensiblen Messgeräten konnten sie den Zahnschmelz auf seine Zusammensetzung, vor allem aber seine Einlagerungen hin untersuchen. Die Frage war, ob man anhand dieser eingebauten Stoffe Rückschlüsse auf das damalige Klima ziehen kann. Beim Atmen dringen feinste Teilchen aus dem Sauerstoff in den Zahnschmelz ein – ein Umstand, der solche Untersuchungen möglich macht. Ändert sich die Atmosphäre, in der man lebt, beispielsweise durch photosynthetische Aktivität der Pflanzen, dann kann man dies an der Art der Einlagerungen im Zahnschmelz erkennen. Die Ergebnisse bestätigen die bisherigen Vermutungen und anderweitigen Untersuchungen von Bodenproben, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre damals viermal höher war als zu Beginn der Industrialisierung. Die Erde war deutlich wärmer. Die Photosynthese der Pflanzen, die Licht, Wasser und Kohlendioxid nutzen, um beispielsweise Sauerstoff zu produzieren, war stärker aktiviert. Offenbar hat nicht zuletzt eine Reihe von Vulkanausbrüchen zu Veränderungen der Zusammensetzung der Atemluft geführt. Die Ergebnisse tragen entscheidend mit dazu bei, die Veränderungen der klimatischen Entwicklungen besser zu verstehen. Die Studien am Dino-Zahnschmelz erweitern unser Bild vom Leben auf der Erde vor Millionen von Jahren erheblich – und machen Klima-Vergleiche mit der modernen Zeit möglich.